Drôme

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Tag 27: Dieulefit – Bourdeaux

Nach dem faulen Ruhetag fällt es schwer, wieder in die Gänge zu kommen. Am späten Vormittag verlasse ich Dieulefit und steige zu der idyllisch gelegenen, gut erhaltenen romanischen Kirche von Comps (Bild) hinauf.

Kurz darauf gibt es wieder einen „Szenenwechsel“: der Weg führt auf der Nordseite eines Hügels hinauf, und ich stehe zum ersten Mal auf dieser Wanderung in einem wunderschönen Buchenmischwald. Yeah!

Insgesamt bleibt es heute sehr lieblich: Laubwälder wechseln sich mit schmalen Trampelpfaden über blühenden Wiesen ab; die Sonne scheint herrlich dazu.

Ich beschließe den Tag bei einem Bier in Bourdeaux (das sich von der berühmten Weinmetropole durch ein „u“ deutlich abgrenzt) und nächtige auf einem „Camping a la ferme“: ganz allein in einem weiten Eichenhain.

Was für ein herrlicher Tag!

Etappenlänge: ca. 19km

Tag 28: Bourdeaux – Saou

Es regnet. Es regnet nachts, es regnet bis in den späten Vormittag hinein. Für Nachmittags sind schwere Gewitter vorhergesagt. Zum dritten Mal beschließe ich, einen Berg auf tieferer Route zu umgehen.

Da oben möchte ich nicht im Gewitter herum klettern.

Über Mittag klart es etwas auf und ich wandere über Felder und Wiesen nur zwei Orte weiter bis nach Saou.

Der Campingplatz liegt zwischen steil aufragenden Felswänden in einer tief eingeschnittenen Schlucht. Kaum ist das Zelt aufgestellt und die Wandererin geduscht, bricht auch schon das Unwetter los.

Mensch und Tier flüchtet sich auf die Veranda. Mit Stammgästen und Betreibern, bei gutem (!) Bier aus kleiner, lokaler Brauerei und kurzweiligen Gesprächen in vielsprachigem Kauderwelsch vergeht der Abend wie im Flug, während draußen die Welt im Gewitterregen versinkt.

Zur Begrüßung habe ich diesen flauschigen Wollpullover bekommen.

Der Abend neigt sich dem Ende entgegen. Unerwartet legen mir die Betreiber einen Schlüssel hin. Bei dem Wetter haben sie Mitleid mit mir und meinem kleinen, nassen Zelt: ich darf in einem leer stehenden Blockhaus nächtigen. Meinen Dank wischen sie fort: „.. pour la famille“ – nach dem geselligen Abend gehöre ich zur Familie. Dankbar nehme ich an.

Etappenlänge: ca. 13km

Wort des Tages: la convivialité

Tag 29: Saou – Beaufort-sur-Gervanne

Am nächsten Tag bin ich früh auf den Beinen. Noch hängt der Nebel in der Schlucht, doch bald wird es sonnig und schön.

Schon am Vormittag bin ich über den steilen Felsrücken aus der Schlucht herausgestiegen. Auf der anderen Seite bietet sich ein atemberaubend schöner Ausblick über das Tal der Drôme.

Über dem Tal der Drôme. Panorama!

Am frühen Nachmittag komme ich an einem Restaurant vorbei. Ich nehme auf der Terrasse Platz und bestelle ein Alster. Eine halbe Minute später ist die Chefin da: „Gibt’s nicht. Nur Getränke machen wir nicht. Nur Essen!“

Das ist also die französische Variante von „Auf der Terrasse nur Kännchen“… 🙂

An meinem Tagesziel in Beaufort-sur-Gervanne muss ich Proviant aufstocken – über die nächste Woche gibt es keine sichere Einkaufsgelegenheit. Das örtliche Lebensmittelgeschäft hat vor ein paar Jahren geschlossen, daraufhin hat eine Anwohnerinitiative beschlossen, dass sie die lokale Versorgung erhalten wollen und einen kleinen Bioladen mit regionalen Produkten eröffnet. Sehr sympathisch – und sehr praktisch: statt Großpackungen aus dem Supermarkt kann ich mir Müsli, Nudeln, Nüsse und Trockenfrüchte einfach nach Bedarf abfüllen. Brot, Käse, Schokolade, Kaffee, Obst und Joghurt dazu: perfekt!

Nahrhaft, lecker und sogar ein bisschen gesund.

Der heutige Campingplatz wird von einem sympathischen, älteren Hippie-Paar betrieben. Bei einsetzendem Landregen lasse ich mich mit lokalen Spezialitäten – „Ravioles“, die kleinen Schwestern der italienischen gefüllten Teigtaschen – bekochen. Draussen wird eine Sau ums Haus getrieben: anscheinend ist dem Nachbar die fröhlich grunzende Herde ausgebüxt. Erneut bietet man mir einen trockenen Schlafplatz in einem ungenutzten Wohnwagen. Heute lehne ich ab; so stark ist der Regen nicht.

Notfallquartier.

Insgeheim frage ich mich ja, ob ich mittlerweile schon so erbarmungswürdig verstruppt und ausgehungert aussehe, dass ich ständig mit Essen und Unterkünften versorgt werde 🙂

Etappenlänge: ca. 28km

Tag 30: Beaufort-sur-Gervanne – Léoncel

Ich werde von Windböen geweckt, die an meinem Zelt zerren. Es nieselt. Halsschmerzen künden eine Erkältung an.

Über 20km führt mein Weg mich heute fast 1000hm hinauf. Ich nähere mich dem Hochplateau des Vercors.

Gegen Mittag ist klar, dass der Regen nicht aufhört. Zelten ist eindeutig keine Option: Ich rufe in der Herberge an und reserviere für die Nacht ein Bett. Ich glaube, erfolgreich.

Am Nachmittag trete ich aus dem Wald heraus. Der Weg zieht sich endlos über matschige Kuhweiden, bis zu den Knöcheln stecke ich im Dreck.

Tiere im Nebel.

Der Wind hat sich zu einem veritablen Sturm ausgewachsen; teilweise komme ich kaum voran. Der Regen schlägt mir waagerecht entgegen. Ich bin seit Stunden nass und inzwischen auch bedenklich kalt. Nur weiter, weiter!

Endlich kommt die Klosterkirche von Léoncel in Sicht. Die Herberge ist gleich nebenan. Ein alter Mann steht in der Tür und empfängt mich. Erst viel später verstehe ich, dass er auch nur ein Wanderer ist.

Gite d’etape im ehemaligen Kloster Léoncel.

Trotz Dusche, Suppe und Tee werde ich nicht warm. In der Nacht setzt Fieber ein. Draussen tobt der Sturm.

Etappenlänge: 19km

Tag 31-33: Léoncel

Am Ende bleibe ich drei Tage in der Wandererherberge von Léoncel, bis das Fieber und der Sturm ausgestanden sind.

Und dann geht es endlich hinauf in den Vercors!


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