Lubéron

Lubéron

Tag 16: Manosque – Céreste

Nach dem Ruhetag verlasse ich Manosque in westlicher Richtung. In den nächsten Tagen werde ich die Höhenzüge des Lubéron durchqueren. Doch zunächst führt mein Weg mich zu einer alten Kapelle hinauf, von der aus man noch ein Mal ins Tal der Durance zurückblicken kann.

Kapelle bei Manosque.
Ist das Statik oder Gottvertrauen? 
Durch Olivenhaine geht es wieder hinab.
Ein Kanal zur Bewässerung der umliegenden Weinberge.

Meine Route verläuft oft über kleine Asphaltstraßen. Mich stört das nicht weiter – im Gegenteil, nach den Geröllhalden der letzten Tage bin ich froh, dass ich den Blick mal von den Füßen lösen und schweifen lassen kann.

Die Landschaft hat sich erneut geändert: sanfte Hügel, fruchtbare Felder und blühende Wiesen, dazwischen weit verstreut große Gehöfte.

Blühender Ginster und grüne Wiesen im Lubéron.

Den ganzen Tag über verfolgen mich Gewitterschauer, auch die Nacht über sollen sie anhalten. Wenige Kilometer hinter Céreste entdecke ich eine verlassene Gartenlaube. Die überdachte Terrasse ist ein perfektes Lager für die Nacht!

Hinter der Laube plätschert ein kleiner Bach. Ein vielstimmiges Froschkonzert begleitet mich in den Schlaf. Quaaaaak!

Etappenlänge: ca. 24km

Wort des Tages: grenouille

Tag 17: Cerestre – Valsainte

Um neugierigen Blicken zu entgehen, bin ich schon früh wieder unterwegs.

Nach wenigen Kilometern gelange ich an die Ruinen der ehemaligen Klosterkirche Prieuré Carluc.

Prieuré Carluc
Viele alte Steine.
Teile der Klosteranlage sind in den rohen Felsen gehauen.

Die Landschaft bleibt idyllisch, über Felder und Wiesen geht es auf und ab. Ich kann mich gar nicht satt sehen an den blühenden Hängen. Alles wirkt sehr ländlich hier.

Ein typischer Bewohner des Lubéron.

Auch die Dörfer haben sich verändert. Es gibt kaum noch Geschäfte; Restaurants haben geschlossen. Viele alte Häuser stehen leer und verfallen langsam.

Oppedette. Das Bistro im Ort hat schon lange geschlossen.

Ich laufe noch bis zum Campingplatz in Valsainte. Auch hier wirkt alles verlassen und baufällig. Ich bin der einzige Gast. Doch es ist sauber, der Besitzer ist freundlich und stellt extra für mich das heisse Wasser an. Und die Lage wiegt alles auf: das „heilige Tal“ ist wunderschön, still, weltabgeschiedenen.

Mein Zeltplatz im Valsainte.

Etappenlänge: ca. 19km

Wort des Tages: collines

Tag 18: Valsainte- Lagarde d’Apt

Meine Nacht in dem stillen Tal wirkt nach. Ich schlafe lange und verbringe den Vormittag tiefenentspannt bei Kaffee und Frühstück, am Bach hinter dem Zeltplatz in der Sonne sitzend.

Die friedliche, gelassene Stimmung begleitet mich noch den ganzen Tag.

Der Weg führt durch eine kleine Schlucht. Der enge Talgrund ist von Dickicht überwuchert; mehrmals muss ich mir einen Pfad durch das dichte Gestrüpp bahnen. Nächstes mal kommt eine ultraleichte Heckenschere ins Gepäck!

Eben war da noch ein Weg!

In Simian-de-la-Rotonde erwartet mich ein steiler Anstieg durch eine sehenswerte Altstadt. Plötzlich stehe ich schon oben auf dem Schloßberg. Ich entscheide mich gegen eine Besichtigung: es ist schon recht spät und ich will noch einige Kilometer laufen heute. Überhaupt habe ich während des Wanderns meist wenig Lust auf Besichtigungen – meist treibt es mich rasch weiter.

Die Geschäfte im Ort habe ich verfehlt – dann muss der nächste Einkauf bis morgen warten. Genügend Snacks habe ich noch, auch wenn Brot, Käse und Süßes aus sind.

Hinter dem Ort führt der Weg in den Wald; gegen 19 Uhr fülle ich am Rathaus von Lagarde d’Apt nochmal Wasser auf.

Seltsame Strukturen: jedes kleine Dorf in Frankreich ist eine Gemeinde mit Rathaus („Mairie“). Dieser Ort hier mitten im Wald besteht nur aus einem riesigen, alten Gutshof, einer Kirche, einem geschlossenen Gasthaus und eben dem Rathaus, welches aber zuverlässig einmal wöchentlich geöffnet hat. Für wen denn nur?

Auf einer kleinen Lichtung im Wald schlage ich schließlich mein Lager auf. In der Nähe liegt ein großes Freigehege für Rehe und Hirsche; das groteske, heisere Bellen eines Rehbocks ist heute mein Gute-Nacht-Lied.

Etappenlänge: ca. 21km

Wort des Tages: pacifique

Tag 19: Lagarde d’Apt – Sault

Meine Nacht im Wald bleibt ruhig. Auch am nächsten Tag bieten sich nur wenige Ausblicke.

Wolkenspiele beim Blick zurück auf die Felder des Lubéron.
Lavendelfelder.

Immerhin erhasche ich einen ersten Blick auf den Mont Ventoux, den „Berg der Winde“, mit 1911m die höchste Erhebung der Provence. Ausser für die namensgebenden Stürme, die oft über ihn hinweg brausen, ist er vor allem als fordernde Etappe der Tour de France berühmt-berüchtigt.

Mont Ventoux in der Ferne. Ausnahmsweise ohne Wolken am Gipfel.

Eigentlich sollte die nächste Etappe über den Mont Ventoux hinweg führen – doch ausgerechnet morgen findet dort ein Triathlon-Event statt: nach 2km Schwimmen und 80km mit dem Rad den Berg hinauf stehen noch 20km Laufen an. Mir reichen ja die 20km zu Fuß am Tag 🙂

Ich entschließe mich also, dem Trubel aus dem Weg zu gehen, die lange Etappe und den wolkenverhangenen Berg zu vermeiden und – völlig unsportlich! – einfach gemütlich um den Mont Ventoux herum zu wandern.

Überhaupt fühle ich mich heute sehr unsportlich, seltsam schlapp und schwindelig, habe Kopfschmerzen und schlechte Laune. Ich werde doch wohl nicht krank?

Doch so langsam dämmert mir: bei meinem Nachtlager im Wald habe ich natürlich weder Abendessen noch heute morgen Kaffee gekocht – und jetzt leide ich ganz offensichtlich unter eklatantem Koffeinmangel! Ohne Kaffee KANN man einfach gar nicht wandern. 🙂

Kurz vor Küchenschluss komme ich am frühen Nachmittag an einem Imbiss in Sault an (das Konzept der „durchgehend warmen Küche“ ist in Frankreich völlig unbekannt). Ein reichhaltiges Mittagessen mit eiskalter Cola bessert mein Befinden direkt und nachhaltig!

(Nicht im Bild: Kaffee und Pain au Chocolat zum Nachtisch. Nom.)

Etappenlänge: ca. 20km

Wort des Tages: coffeine


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