Büsche & Bäche

Büsche & Bäche

Tag 4: Le Fanguet – Valderoure

Bei einem herrlichen Sonnenaufgang genieße ich das Frühstück auf meiner Blumenwiese. Es bleibt der unangefochtene Höhepunkt des Tages.

Durch Frankreich führt ein weitläufiges Netz gut markierter und ausgeschilderter Fernwanderwege, die „Grandes Randonnées“, kurz GR, denen ich auf meiner Tour folgen will. Um ein anstrengendes Teilstück zu umgehen, habe ich mir für heute jedoch eine eigene Strecke herausgesucht.

Meine Karte ist hervorragend, doch die Pfade – oftmals wohl alte Verbindungswege zwischen den Orten, bevor die heutigen Straßen angelegt wurden – werden sichtlich wenig begangen. Viele sind zugewuchert, gar nicht mehr erkennbar oder führen über privaten Grund und sind plötzlich gesperrt. Immer wieder muss ich mich orientieren, suchen, umkehren, mich durchs Gebüsch schlagen oder, wenn sich gar kein Weg findet, an Straßen entlang laufen. Es ist anstrengend und mühselig.

Privatbesitz – kein Durchgang.

Ich komme an einem verlassen daliegenden Flugplatz vorbei, der in den 90er Jahren auf einem abgelegenen Hochplateau von enthusiastischen Hobbypiloten angelegt wurde. Eine kleine Propellermaschine knattert im Landeanflug über mich hinweg. Wenig später treffen sich auf einem einsamen südfranzösischen Flugplatz ein belgischer Pilot und eine norddeutsche Wandererin, die hier jeder für sich ihrer ganz eigenen Passion nachgehen. Was für eine unwahrscheinliche Begegnung.

Am frühen Nachmittag setzen erneut Schauer ein; es ist kalt und ungemütlich. Dann geht auch noch dem Akku unerwartet die Luft aus.

Ein lustiger Esel zur Aufmunterung. 🙂

Im nächsten Ort, Caille, erklärt sich die Verkäuferin in einem Mini-Supermarkt bereit, Handy & Akku zu laden. Ich suche derweil vor dem nächsten Schauer Schutz unter einem überdachten Lavoir, dem Waschsalon des 18. Jahrhunderts.

Typisches Lavoir in Caille.

Als ich wieder auf dem Weg bin, dämmert es schon fast. Die Wiesen im Tal, in dem ich lagern wollte, stehen knöcheltief unter Wasser, der angrenzende Wald ist ganz offensichtlich fest in der Hand der Wildschweine; die Spuren sind eindeutig. Schließlich entdecke ich eine umzäunte, aber leere Schafweide. Meine Hybris von gestern holt mich ein: wenn die Alternative „Wildschwein“ heisst, sind ein paar Schafköttel plötzlich gar nicht mehr so schlimm!

Etappenlänge: ca. 21km

Wort des Tages: le buisson

Tag 5: Valderoure – La Garde

Die Nacht bleibt ungestört, aber nicht erholsam. Bei Sonnenaufgang breche ich direkt wieder auf. So langsam spüre ich die Anstrengung der letzten Tage.

Bald folge ich einem GR, nun ist der Weg nicht mehr zu verfehlen. Auf oft breiten, zerfahrenen oder unterspülten Wegen geht es dahin; die wunderbaren Steineichen wurden schon lange von Kiefern abgelöst. Hin und wieder sieht man jetzt sogar Forstwirtschaft – im Gegensatz zu deutschen Wäldern hier eher selten.

Gut orientiert!

In der Vormittagssonne trockne ich mein feuchtes Equipment; nur die Füße bleiben nass. Nasse Wiesen und schlammige Wege fordern ihren Tribut.

Immer wieder kreuzen die Wege auch kleine oder größere Bäche. In dem üblicherweise trockenen Klima führen sie kaum Wasser, so dass sich Brücken nicht lohnen, doch mit dem vielen Regen der letzten Wochen gibt es Wasser im Überfluss. Immer wieder muss ich „furten“, mal mit einem großen Sprung oder über ein paar Steine balancierend – und heute muss ich sogar durch wadentiefes, eiskaltes Wasser waten. So hatte ich mir den Sommer in Frankreich nicht vorgestellt!

Diese Furt konnte ich noch umgehen…
… doch hier muss ich durch!
Kneipp-Kur à la française.

Zu nassen Füßen gesellt sich natürlich der allnachmittägliche Gewitterschauer. Patschnass erreiche ich den Campingplatz. Nach 3 Nächten wildcampen habe ich eine heiße Dusche und eine Waschmaschine jetzt aber auch dringend nötig!

Etappenlänge: ca. 18 km

Wort des Tages: gué (… und als solche sind die Furten sogar auf meiner Karte verzeichnet. Ach!)

Tag 6: La Garde – Castellane

Mein Weg verläuft heute parallel zur „Route Napoleon“. Heute eine beliebte Strecke für Motorrad-, Oldtimerfahrer und Ausflügler, markiert sie eigentlich den Weg, den der Kaiser mit seiner Armee bei seiner Rückkehr aus dem Exil auf Elba im Jahr 1815 nahm. In 6 Tagen marschierte er vom Mittelmeer nach Grenoble – ich habe mir dafür 4 Wochen vorgenommen. Der reinste Spaziergang!

Blühende Landschaften auf dem Weg nach Castellane.

Pünktlich zu Mittag komme ich in Castellane an – das erste Zwischenziel meiner Tour ist erreicht, die ersten 100 Kilometer geschafft!

Castellane

Ich feiere mit einem üppigen französischen Menü und Rotwein zum Mittag. Es gewittert und schüttet wie aus Eimern.

Vive la France!

Etappenlänge: ca. 9km

Wort des Tages: se reposer


3 Gedanken zu „Büsche & Bäche

  1. Der lustige Esel hat mich tatsächlich sehr erheitert! 😀
    Die Bildunterschrift ohnehin. Schöner Stil.

    Hoffe, das Wetter ist zwischenzeitlich beständiger…

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